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Abrechnung

Ein wichtiges Ziel der neuen Richtlinie zur außerklinischen Intensivpflege (AKI-RL) ist es, die Versorgung der Betroffenen zu verbessern und Fehlanreize zu vermeiden. Deshalb soll bei intensiv pflegebedürftigen Patientinnen und Patienten, die künstlich beatmet werden oder eine Trachealkanüle tragen, stärker als bisher das Potenzial zur Verringerung der künstlichen Beatmungszeit bis hin zur Entwöhnung oder Dekanülierung erkannt und ausgeschöpft werden.

Bevor Ärztinnen und Ärzte eine Verordnung für die außerklinische Intensivpflege ausstellen und die weitere Behandlung planen können, müssen sie deshalb eine sogenannte Potenzialerhebung veranlassen, sofern nicht bereits eine aktuelle Erhebung vorliegt. Welche ärztlichen Qualifikationsanforderungen für die jeweiligen Schritte gelten und welche Formulare dabei zum Einsatz kommen, lesen Sie in unserem Beitrag Außerklinische Intensivpflege: Das ändert sich bei der Verordnung.

Wozu wird die Potenzialerhebung durchgeführt und was ist dabei zu beachten?

Bei der Potenzialerhebung ermittelt der durchführende Arzt bei beatmeten oder trachealkanülierten Patienten das Potenzial zur Reduzierung der Beatmungszeit bis hin zur vollständigen Beatmungsentwöhnung beziehungsweise zur Entfernung der Trachealkanüle. Desweiteren müssen die Möglichkeiten der Therapieoptimierung sowie die jeweils zur Umsetzung notwendigen Maßnahmen geprüft werden. Außerdem gilt es, das Potenzial für eine Umstellung auf eine nicht-invasive Beatmung zu ermitteln. Welche Untersuchungen dafür konkret erforderlich sind, ist in der AKI-RL festgelegt und rechtlich bindend. Selbstverständlich müssen alle Ergebnisse sauber dokumentiert werden.

Die Potenzialerhebung soll mindestens alle sechs Monate durchgeführt werden und darf zum Zeitpunkt der Verordnung nicht älter als drei Monate sein.

Bei Patienten ohne Aussicht auf nachhaltige Besserung der zugrunde liegenden Funktionsstörung und ohne Potenzial darf das Ergebnis nicht älter als sechs Monate sein.

Wie können die Leistungen zur Erhebung abgerechnet werden?

Die Vergütung der Potenzialerhebung ist im neuen Abschnitt 37.7 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) geregelt.

GOP 37700

Die Gebührenordnungsposition (GOP) 37700 bildet die Erhebung gemäß § 5 der AKI-RL unter Verwendung des Vordrucks nach Muster 62 Teil A ab. Sie ist mit 257 Punkten und 29,53 Euro bewertet. Bei einem persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt und/oder einem Arzt-Patienten-Kontakt im Rahmen einer Videosprechstunde muss das Beatmungsentwöhnungs- bzw. Dekanülierungspotenzial geprüft werden. Dafür ist ein Zeitrahmen von mindestens 20 Minuten vorgesehen.

Die GOP ist einmal im Behandlungsfall und höchstens zweimal im Krankheitsfall berechnungsfähig. Bei ausführlicher Begründung der medizinischen Notwendigkeit im Einzelfall kann die GOP 37700 auch dreimal im Krankheitsfall in Rechnung gestellt werden.

Achtung: Wenn Sie die Leistungen der GOP 37700 im Rahmen einer Videosprechstunde durchführen, müssen Sie unbedingt eine bundeseinheitlich kodierte Zusatzkennzeichnung dokumentieren. Für die Abrechnung gelten die Anforderungen gemäß Anlage 31b zum BMV-Ä.

Laut den Allgemeinen Bestimmungen 4.3.1. des EBM ist die Anzahl der Behandlungsfälle, in welchen der Arzt-Patienten-Kontakt ausschließlich im Rahmen einer Videosprechstunde stattfindet, auf 30 Prozent aller Behandlungsfälle des Vertragsarztes begrenzt – das gilt auch bei Durchführung einer Videosprechstunde in Zusammenhang mit der Potenzialerhebung nach der Gebührenordnungsposition 37700. Diese Obergrenze gilt jedoch nicht, wenn je Vertragsarzt und Quartal maximal drei Potenzialerhebungen nach GOP 37700 durchgeführt werden.

GOP 37701

Mit diesem Zuschlag zur GOP 37700 wird der zusätzliche Zeitaufwand abgegolten, wenn die in GOP 37700 veranschlagten 20 Minuten nicht für die Potenzialerhebung ausreichen. Voraussetzung: Der Arzt-Patienten-Kontakt muss mindestens zehn Minuten länger andauern, als in GOP 37700 angegeben. Die GOP 37701 kann je vollendete zehn Minuten mit jeweils 128 Punkten (14,71 €) angesetzt werden – jedoch höchstens dreimal im Behandlungsfall.

GOP 37704

Die Durchführung einer Schluckendoskopie wird mit der GOP 37704 abgebildet und mit 294 Punkten honoriert. Das entspricht derzeit einem Honorar von 33,79 Euro.

Zum obligatorischen Umfang der Leistung zählen sowohl die Patientenaufklärung zur Untersuchung in angemessenem Zeitabstand vor dem Eingriff, als auch die Informationsvermittlung zum Ablauf der vorbereitenden Maßnahmen vor dem Eingriff.

Lokalanästhesie, die Gabe von Testboli unterschiedlicher Konsistenz sowie eine Bilddokumentation müssen nicht zwingend erbracht werden.

GOP 37705

Wer im Rahmen einer Potenzialerhebung nach GOP 37700 den Säurebasenhaushalt bestimmt und eine Blutgasanalyse in Ruhe und/oder unter definierter und reproduzierbarer Belastung und/oder unter Sauerstoffinsufflation durchführt, kann sich diesen Aufwand mit einem entsprechenden Zuschlag honorieren lassen: Die GOP 37705 ist mit 84 Punkten (9,65 €) bewertet.

GOP 37706

Diese Gebührenordnungsposition (159 Punkte; 18,27 €) fungiert in Zusammenhang mit der GOP 37700 als Grundpauschale für alle Ärzte und Krankenhäuser, die gemäß der AKI-RL über eine entsprechende Genehmigung zur Potenzialerhebung verfügen. Sie kann einmal im Behandlungsfall angesetzt werden. Auch hier gilt der persönliche Arzt-Patienten-Kontakt und/oder Arzt-Patienten-Kontakt im Rahmen einer Videosprechstunde als obligatorischer Leistungsinhalt.

Weitere persönliche oder andere Arzt-Patienten-Kontakte, Beratung und Behandlung, ärztliche Berichte oder individuelle Arztbriefe sowie in Anhang 1 Spalte GP aufgeführte Leistungen (z.B. Erhebung des Ganzkörperstatus) sind bereits als fakultative Leistungen in der GOP 37706 enthalten und können nicht zusätzlich in Rechnung gestellt werden.

Gut zu wissen: Auch wenn Leistungen entsprechend den Gebührenordnungspositionen 01600 und 01601 (ärztlicher Bericht, individueller Arztbrief) bereits in der GOP 37706 inkludiert sind, müssen Sie jedoch nicht auf den Versand- bzw. Transportkosten sitzen bleiben. Diese können Sie gesondert mit den GOP 40110 (Brief: 0,86 €) und 40111 (Fax: 0,05 €) in Rechnung stellen.

Was ist bei der Verordnung zu beachten?

Basis für die Verordnung außerklinischer Intensivpflege ist das Vorliegen einer Erhebung im Rahmen des Entlassmanagements oder nach GOP 37700. Ausnahme: Die Voraussetzungen nach § 5 Abs. 6 der AKI-RL sind erfüllt.

Ärzte, die eine Erstverordnung für außerklinische Intensivpflege ausstellen, können dies für eine Dauer von bis zu fünf Wochen tun.
In der Regel erfolgt die Erstverordnung jedoch im Entlassmanagement. Diese ist allerdings nur für bis zu sieben Tage gültig. Da in dieser Zeit eine vertragsärztliche Anschlussversorgung erfolgen muss, hat das Krankenhaus die weiterbehandelnde Praxis so rechtzeitig über die Verordnung zu informieren, dass eine nahtlose Anschlussversorgung ermöglicht wird.

Folgeverordnungen können grundsätzlich für einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten ausgestellt werden. Ärzte können auch Folgeverordnungen für bis zu zwölf Monate ausstellen, wenn für die beatmete oder trachealkanülierte Person keine Aussicht auf nachhaltige Besserung der zugrundeliegenden Funktionsstörung besteht und eine Entwöhnung oder Dekanülierung dauerhaft nicht möglich ist.

Wie wird die Verordnung honoriert?

Das Honorar für die Verordnung außerklinischer Intensivpflege ist ebenfalls im Abschnitt 37.7 des EBM festgelegt.

GOP 37710

Die GOP 37710 bildet die Verordnung außerklinischer Intensivpflege unter Verwendung des Vordrucks nach Muster 62 Teile B und C gemäß AKI-RL ab und ist mit 167 Punkten bewertet. Das entspricht derzeit 19,19 Euro.

Um die Leistung abrechnen zu können, muss ein persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt stattgefunden haben, bei dem der verordnende Vertragsarzt die individuellen Therapieziele mit dem Versicherten über einen Zeitraum von mindestens zehn Minuten erörtert und festgestellt hat.

Im Krankheitsfall ist die GOP 37710 höchstens dreimal berechnungsfähig.

Wie geht es nach der Verordnung weiter?

Wer die außerklinische Intensivpflege verordnet, ist auch für die Koordination der Behandlung verantwortlich. Das beinhaltet beispielsweise die Aktualisierung des Behandlungsplans, die Veranlassung der Potenzialerhebung, das Ausstellen weitere Folgeverordnungen sowie eine enge Zusammenarbeit mit den Pflegekräften. Tipp: Beziehen Sie die Krankenkassen in den Prozess ein, denn so können Sie im Falle einer anstehenden Entwöhnung Unterstützung bei der Suche geeigneter Einrichtungen mit verfügbaren Versorgungskapazitäten anfordern.

Welche GOP kann für die Koordination angesetzt werden?

Für die weitere Koordination der Behandlung gibt es eine eigene Gebührenordnungsposition.

GOP 37711

Sie fungiert als Zuschlag zur Versichertenpauschale oder als Grundpauschale für den die außerklinische Intensivpflege koordinierenden Vertragsarzt gemäß § 12 Abs. 1 der AKI-RL und kann bei der Abrechnung mit 275 Punkten (31,60 €) angesetzt werden.

Zu den obligaten Leistungsinhalten zählen sowohl die Koordination der medizinischen Behandlung, als auch die Überprüfung und gegebenenfalls Anpassung von Maßnahmen der außerklinischen Intensivpflege als Ergebnis regelmäßiger Untersuchungen.

Einige Leistungen die darüber hinaus gehen, wie beispielsweise die rechtzeitige Einleitung der regelhaften Erhebung sowie bei Bedarf nach Hinweisen aus der Pflege und des Medizinischen Dienstes oder die Einweisung in eine auf die Beatmungsentwöhnung spezialisierte stationäre Einrichtung sind bereits in der GOP enthalten und können nicht gesondert in Rechnung gestellt werden.

Die GOP 37711 ist nur einmal im Behandlungsfall abrechenbar, und zwar nur von demjenigen Vertragsarzt, der im Zeitraum der letzten zwei Quartale unter Einschluss des aktuellen Quartals eine Verordnung nach der GOP 37710 ausgestellt hat.

Wer die GOP 37711 im Behandlungsfall neben der GOP 01420 abrechnen möchte, muss zwingend eine medizinische Begründung angeben.

Können noch weitere GOP abgerechnet werden?

Auch weitere Leistungen, die in Zusammenhang mit der außerklinischen Intensivpflege stehen, können abgerechnet werden. Dazu zählen die Pauschale für die konsiliarische Erörterung und Beurteilung medizinischer Fragestellungen durch den konsiliarisch tätigen Arzt (GOP 37714; 106 Punkte; 12,18 €), sowie die Fallkonferenz nach § 12 Abs. 2 der AKI-Richtlinie (GOP 37720; 86 Punkte; 9,88 €). Während die GOP 37720 maximal achtmal im Krankheitsfall angesetzt werden kann, ist die GOP 37714 einmal im Behandlungsfall abrechenbar.

Neben den genannten spezifischen Gebührenordnungspositionen können bei Patienten mit Bedarf an der außerklinischen Intensivpflege aber wie bisher auch weitere fachgruppenspezifische GOP für die Behandlung in Rechnung gestellt werden.

1) Telemedizinische oder persönliche Erhebung

Auch wenn die Erhebung telemedizinisch durchgeführt werden kann, muss sie mindestens 1 x jährlich unmittelbar persönlich erfolgen, vorrangig am Ort der Leistung – also dort, wo die betroffene Person lebt. Ist das ausnahmsweise nicht möglich, muss geprüft werden, ob der Patient in eine Arztpraxis oder eine andere Einrichtung transportiert werden kann und dies verhältnismäßig ist. Ist das nicht möglich, kann die Erhebung auch telemedizinisch erfolgen. Hier bedarf es einer gut dokumentierten Einzelfallbegründung.

2) Hinweise zur Verordnung

Wenn Sie sowohl zur Verordnung als auch Potenzialerhebung qualifiziert sind, können Sie beide Aufgaben übernehmen.
Allerdings besteht ein „Vier-Augen-Prinzip“ für die Fälle, bei denen voraussichtlich langfristig kein Beatmungsentwöhnungs- oder Dekanülierungspotenzial vorliegt und damit auch die regelmäßige Potenzialerhebung nicht notwendig wird. Hier gilt: Wer verordnet darf nicht das Potenzial erheben und umgekehrt!

3) Sie wollen sich fortbilden?

Dann absolvieren Sie doch die CME-zertifizierte Online-Fortbildung der KBV. Diese richtet sich insbesondere an Hausärztinnen und Hausärzte, die ihre Kompetenzen im Umgang mit beatmeten oder trachealkanülierten Patientinnen und Patienten erweitern wollen:
www.kbv.de/html/7703.php